Die Botschaft des Anna Göldi Mahnmals

Das Mahnmal ist kein Spektakel, keine Lichtshow, wie manche anfangs befürchtet hatten, sondern besticht durch seine Schlichtheit. Das hielten die Glarner Gerichtspräsidenten fest, als der Entscheid der Fachjury unter Leitung von Prof. Peter Jenny zugunsten der Lichtvariante der Basler Künstler Hurter und Urech bekannt wurde. Im Dachgeschoss des Gerichtsgebäudes übernehmen zwei runde beleuchtete Fenster (in der nordwestlichen Ecke) die symbolische Funktion des Erinnerns. 

Warum braucht es in Glarus ein Anna Göldi Mahnmal, diese besondere Form eines Denkmals? Welchen tieferen Sinn hat es? Der Fall Göldi steht exemplarisch für Justizwillkür und hat den heute geläufigen Begriff des Justizmordes geschaffen. Dieser wurde im Zusammenhang mit dem Göldi-Prozess 1783, ein Jahr nach der Hinrichtung, erstmals erwähnt. Unter Justizmord versteht man die Instrumentalisierung des Rechts, um einen Menschen aus dem Weg zu räumen, zum Schweigen zu bringen.

Heute ist die Todesstrafe in der Schweiz glücklicherweise abgeschafft. Doch Justiz- und Behördenwillkür sind auch über 230 Jahre nach dem Todesurteil gegen Anna Göldi verbreitet. Das Mahnmal ist deshalb nicht nur ein Ort des Erinnerns, sondern auch eine Mahnung an uns Zeitgenossen, die rechtsstaatlichen Errungenschaften zu bewahren. Diese sind weltweit bedroht, Menschenrechtsverletzungen gehören zum Alltag - längst nicht nur in der Ukraine, in Ägypten und Syrien. Das Mahnmal ist deshalb nicht nur Anna Göldi gewidmet, sondern allen Menschen, die aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen Opfer von staatlicher Willkür werden.

Von Kriegen und blutigen Religionskonflikten sind wir zum Glück verschont geblieben, in der Schweiz geht es vergleichsweise gesittet zu und her. Doch dennoch beklagen anerkannte Strafrechtsprofessoren auch hierzulande den Trend von der

Beweis- zur Verdachtsjustiz und verfolgen mit Sorge, wie elementare Verfahrensgrundsätze wie die Gleichheit vor dem Gesetz oder die Unschuldsvermutung angezweifelt werden und eine emotional aufgeladene Volksstimmung der Strafjustiz ihren Stempel aufdrückt. Vor dieser Entwicklung hat der Glarner Bundesrat Joachim Heer bereits vor 150 Jahren gewarnt. Der Populismus sei die grösste Bedrohung für den Rechtsstaat, schrieb er im ersten Jahrbuch des Historischen Vereins des Kantons Glarus in einem ausführlichen Beitrag zum Fall Anna Göldi. Die mahnenden Worte von Bundesrat Heer sind heute wieder aktuell.

Zu Beginn gab es Diskussionen über den geeigneten Standort des Anna Göldi Mahnmals. Die Anna Göldi Stiftung favorisierte die einstige Hinrichtungsstätte im Gebiet Ygruben an der Buchholzstrasse, wo sich heute ein Parkplatz des Kantonsspitals befindet. Passanten sind sich heute kaum noch bewusst, dass an jenem Ort der Scharfrichter sein Amt ausübte und die zum Tode Verurteilten mit dem Schwert hinrichtete.
Die Fachjury hat sich jedoch zu Recht für den Standort beim Gerichtshaus entschieden. Dies erfolgte in Absprache mit dem Kanton und mit der Verwaltungskommission der Gerichte, deren Vorsitzender kein Geringerer als der ehemalige Obergerichtspräsident und heutige Bundesrichter Dr. Ives Rüedi war. Das schlichte Mahnmal bereichert seit seit 2014 den Ortskern von Glarus. Es steht symbolträchtig unweit des Ortes, an dem Anna Göldi 1782 zum Tode verurteilt wurde - und genau dort, wo heute die Glarner Gerichte tagen und Recht und Gesetz anwenden.

Das Anna Göldi Museum wird unterstützt durch:

Fons Margarita, Curti-Stiftung, Markant-Stiftung, Stiftung Anne-Marie Schindler, Garbef-Stiftung, Evangelische Landeskirche Kt. Zürich, Walter Haefner-Stiftung, Sandoz Familienstiftung, Schlittler Informatik-Dienstleistungen GmbH, Swisslife Perspektiven, Stiftung Gartenflügel, Otto Gamma-Stiftung, Daniel Jenny & Co, Hans Eberle AG, Gemeinde Glarus Süd, Gemeinde Glarus Nord, Stiftung der Glarner Kantonalbank für ein starkes Glarnerland